Zum Beitrag Komasaufen bei Jugendlichen – Mixgetränke sind besonders gefährlich
Im vergangenen Jahr kamen 181 Kinder und Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung in ein Bremer Krankenhaus – ein Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zu 2014. Das Erschreckende: Mädchen stehen Jungs inzwischen kaum mehr nach. Kinderarzt Martin Claßen glaubt, dass der Konsum von Mixgetränken eine Rolle spielt.
Die Zahl der Mädchen, die mit einer Alkoholvergiftung in ein Bremer Krankenhaus kamen, hat sich von 2014 auf 2015 mehr als verdoppelt.
Martin Claßen, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Links der Weser, hat immer wieder sturzbetrunkene Jugendliche in seiner Notaufnahme. “Wir kennen Alkoholvergiftungen in allen gesellschaftlichen Schichten”, sagt er.
Viele Jugendliche seien der Ansicht, Alkohol sei nicht schlimm, und dass es zu einem guten Abend einfach dazugehöre, sich zu betrinken. Gerade das Komasaufen tauche als Thema in Beratungsstellen kaum auf. “Junge Menschen mit Alkoholproblemen suchen uns nur sehr selten auf”, sagt etwa Jochen Guba von Escape, einer Ambulanz für junge Menschen mit Suchtproblemen im Gesundheitsamt. “Ich habe insgesamt den Eindruck, dass der Missbrauch von legalen Drogen wie Alkohol als viel harmloser eingeschätzt wird.“
Doch wie kommt es zu dem starken Anstieg an Alkoholvergiftungen? “Die Jugendlichen, das merke ich auch im Gespräch, neigen stärker dazu, Hochprozentiges zu trinken. Wodka oder Whisky, und das dann als süßes Mixgetränk”, sagt Martin Claßen. Dadurch gelange sehr schnell eine große Menge an Alkohol in den Körper.
Ich kann mich nicht erinnern, dass sich jemand nur mit Bier zum Beispiel ins Koma getrunken hätte.
Martin Claßen, Chefarzt am Klinikum Links der Weser
Viele Mädchen trinken zu schnell zu viel
Der Trend zu süßen Mixgetränken könne auch in Teilen erklären, warum Mädchen so viel häufiger in die Notaufnahmen kämen: “Ich glaube, dass es in den Cliquen der Mädchen inzwischen chick ist, zu trinken”, sagt Claßen. Sie würden sich bei gemeinsamen Abenden mit der Clique eher für diese Getränke entscheiden. “Viele Mädchen trinken zu schnell zu viel davon und fallen dann eben ins Koma”, sagt Claßen. Zudem kämen Mädchen schneller in die Pubertät als Jungs und suchten sich in dieser Umbruchphase ältere Freunde – die meist schon tränken.
Ein weiterer Aspekt ist, dass Mädchen weniger Alkohol vertragen als Jungs. Dies liegt zum einen an ihrem meist geringeren Gewicht, zum anderen aber auch daran, dass sie weniger alkoholabbauende Enzyme in ihrem Körper haben.
Claßen, der sich zusammen mit Kollegen gegen Alkoholwerbung im Sport einsetzt, sieht das Verhindern von Komasaufen von Jugendlichen auch als gesellschaftliche Aufgabe. “Wir müssen viel stärker in die Prävention gehen”, sagt er.
Es ist auch die Frage, welches Vorbild wir als Erwachsene für die Jugendlichen sind.
Martin Claßen, Chefarzt am Klinikum Links der Weser
Claßen verweist auf medizinische Studien, die zeigen, dass das Risiko, einen riskanten Alkoholkonsum zu entwickeln, steigt, je früher Jugendliche mit dem Trinken anfangen. Die Folgen: Unfälle unter Alkoholeinfluss oder Prügeleien. Auch die Gefahr für sexuellen Missbrauch steigt. “Wenn man es schaffen würde, dass die Jugendlichen erst mit 17 oder 18 anfangen zu trinken, hätte man sehr viel weniger riskanten Konsum”, sagt Claßen.
Die Zahlen des Statistischen Landesamtes in Bremen sprechen eine deutliche Sprache: Im vergangenen Jahr landeten 92 Jungen und 89 Mädchen wegen einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus. Das ist ein Anstieg von 25 Prozent zum Jahr 2014 – während bundesweit der Trend in die andere Richtung geht. Vor allem bei Mädchen und jungen Frauen gab es einen Anstieg von fast 65 Prozent. Dies teilte die Krankenkasse DAK-Gesundheit mit.
Autorin bei radiobremen.de: Tanja Krämer